pavement politics

22 Juni 2006

Living Proof
















Ein oft bemühter Spruch, soll hier nun in dezent gewandelter Form, ein weiteres Mal zu Ruhm und Ehre gelangen: Über Max Goldt Lesungen schreiben, ist wie neben Pyramiden Baumhäuser bauen. Was Goldt liest ist nicht so einfach wiederzugeben, nein, wirklich nicht. Wollte man es tatsächlich versuchen, man säße um wertvolle Lebensstunden beraubt vor einem Text, der nicht im geringsten das erzählt, was man so verzückt vernommen hatte. Also kurz und knapp, ich werde es erst gar nicht versuchen. Stattdessen werde ich lieber erzählen wie ich den Abend so verbracht habe.
Um halb Acht kam der Besuch, der schon in freudiger Erwartung die erste ausführliche Begegnung mit Max Goldt in seiner physischen Reinform herbeisehnte. Mit Freude stellte ich fest, das der Wein der allzu plötzlich auf dem Tisch stand nicht nur gut aussah, sondern auch noch vorzüglich schmeckte. In intimes Geplänkel vertieft, die Stimme von Chan Marshall aus dem Nebenzimmer vernehmend, saßen wir so da und verpassten es beinahe rechtzeitig aufzubrechen. Ein Glück wohne ich mitten in der Innenstadt. Ein Glück zumindest in diesem Moment. Auch in mir begann sich ein kleines Vorfreudchen zu regen, hatte ich doch seit Entdeckung der goldt`schen Kolumnen kein Werk verpasst, alles gelesen, was gelesen werden konnte, nur auf Lesungen war ich nie. Vielleicht weil ich nicht so recht wußte, wie mir das gefallen würde, wenn der Max Goldt aus meinem Kopf plötzlich in Leib und Stimme den Texten seinen eigenen Stil verpassen würde. Der würde sich eventuell von meinem Lesestil unterscheiden. Vorsichtshalber hatte ich mir also eine Audio-CD einer Lesung besorgt und mir unentwegt angehört, damit umging ich meine Sorgen.
In der Centralstation, die zu diesem feinen Anlass auch ordentlich Weine aufgefahren hatte, machten wir unsere Geldbeutel richtig schlank und tranken uns hüsch einen an. So bedusselt war natürlich dann alles gut. Lesung vorzüglich. Neues Material: mit großer Freude vernahm ich die Ankündigung eines neuen Buches, lies mir keins signieren, weil ich mir keins kaufen wollte, das ich schon hatte und brachte einen Teil des Besuches zur Straßenbahn. Der andere Teil fand den Bus von alleine.

Max Goldt. Dem Elend Probe sitzen. 1.6. 2006. Centalstation Darmstadt.

Die Kugeln in dieser Einkaufsmeile befinden sich übrigens in Yväskylä, Finnland.